Jahrelang musste sich unsere Generation im Fernsehen ansehen, wie Lothar Matthäus 90 in Rom den goldenen Pokal in den Himmel hebt ohne das Spiel damals gesehen zu haben weil man einfach noch zu klein war. Klar 1996 war dann der erste Titel den man halbwegs bewusst miterlebt hat. Unvergesslich wie Köpke im Halbfinale gegen England parierte oder Oliver Bierhof das erste und einzige Golden Goal in der Verlängerung gegen die Tschechei schoss. Aber damals war ich 14 Jahre alt - kein Alter in dem man überschwänglich feiert bis in die Morgenstunden...
Die Freude über diesen 4. Titel beginnt meiner Meinung nach 2006. Davor war Public Viewing ein eher unbekanntes Phänomen, die Deutschlandfahne eher nicht so gern gesehen und auf sein Land in irgendeiner Art Stolz zu sein war unmöglich ohne gleich am politischen Rand gesehen zu werden. Mit der WM im eigenen Land war plötzlich alles anders. Dummerweise scheiterten wir im Halbfinale unglücklich an Italien. Ich stand damals wie 30.000 andere in Nürnberg am Volksfestplatz da und konnte es kaum fassen. Noch eine Stunde nach Abpfiff waren Tausende fassungslos und wollten nicht wahrhaben das die Party jetzt zu Ende sein soll. Am nächsten Tag ging ich nichtmal in die Technikerschule so tief saß das. Dass die WM mit Platz 3 zuende ging war für mich eher eine Randnotiz, wenigstens wusste die Welt nun das man vor dem Land Deutschland keine Angst mehr haben musste.
2008 dann die EM in Österreich und der Schweiz. Alles war wie 2006 - die Euphorie, die Stimmung - einfach alles. Im Halbfinale nach einem super Spiel gegen die Türkei wussten wir: Ab nach Wien. Ohne Karte, ohne Hotel, ohne Plan - wir wollten einfach vor Ort sein, wenn Ballack den Pokal überreicht bekommt. Nach dem Spiel, musste man anerkennen, dass die deutsche Elf einfach schlecht war an diesem Abend. Es wäre wie man so schön sagt nicht verdient gewesen (natürlich konnte man das am selben Abend nicht zugeben)
Weiter gings 2010 dann in Südafrika. Sogar der letzte Skeptiker war verstummt nach den furiosen Auftritten gegen England und Argentinien. Welch spektakulärer Angriffsfußball und das obwohl vor der WM jeder dachte wir könnten gleich wieder nach Hause fahren als sich Ballack verletzte. Im Halbfinale war dann mal wieder Schluß. Wieder Spanien, wie schon in Wien. Das Spiel um Platz 3 ignorierte man so gut es ging, Deutschland hatte einfach das Gefühl dran zu sein diesesmal 2010, und wieder stand Spanien im Weg - leider.
2012 konnte man schon im Vorfeld des EM Turniers in Polen und der Ukraine beobachten wie krampfhaft EM-Lieder gesucht und gedichtet wurden. Überall Werbung für Public Viewing, das ganze wirkte doch ziemlich verzweifelt langsam. Im Halbfinale war mal wieder Schluß. Jedem hat sich das Bild von Balotelli eingebrannt wie er nach dem Tor mit nacktem Oberkörper auf dem Platz stand. Nach dem 2:0 kam von Deutschland nichts mehr. Ratlosigkeit danach; Löw hatte sich verzockt mit seiner Aufstellung und wir konnten wieder nur um die goldenen Ananas spielen.
2014 - die Erwartungen waren da ja, aber dran glauben wollte man es nicht so richtig. Schon zu oft war, außer Lob für den tollen deutschen Fußball, nichts dabei herausgekommen. Die Hoffnung stirbt zuletzt dachte man und die erste Turnierhälfte war gut, wenn auch nicht überragend. Das Eröffnungsspiel gegen Portugal klar gewonnen, gegen Ghana hatte man das Gefühl es wäre schon fast ein KO Spiel und die USA danach einfach besiegt. Im Achtelfinale gegen Algerien mühte sich die Mannschaft in die Verlängerung mit schmeichelhaften Ausgang für uns. Frankreich war nach einem frühen Tor auch relativ einfach besiegt im Viertelfinale, sieht man mal von den nervenaufreibenden letzten Minuten ab, wo Neuer Deutschland vor schlimmerem bewahrte. Dann kam Brasilien und mir gings wie den meisten nach dem 3:0, 4:0 und 5:0 so, als wäre man im falschen Film. Fast schon leid taten einem die Brasilianer - ein richtiger Gegner im Halbfinale sieht anders aus. Deutschland wars egal und es war alles bereit für das Finale gegen Argentinien.
Schon beim Aufstehen Sonntag morgen lag ein "knistern" in der Luft. Egal wo man die Tage davor war, es gab kein anderes Thema als das WM Finale. Den ganzen Sonntag über kamen auf Phönix Reportagen über den deutschen Fußball mit seinen Höhen und Tiefen um die Zeit zu überbrücken. Die Spannung steigerte sich stündlich - ein Gefühl was wohl nur Fußballfans verstehen können. Als das Spiel dann endlich los ging war es Erleichterung und Angst zugleich, würde es dieses Mal endlich klappen? Die Spannung während des Spiels war beinahe schon unerträglich. Man konnte kaum noch hinsehen, aber weg sah keiner. Auch wenns eine Phrase ist: dieses Spiel lebte dermaßen von der Spannung, unglaublich. Dann Verlängerung - was würde noch alles passieren? Als Schürrle den Ball in der 112. nach innen flankt und Götze nach Drehung das Ding in den argentinischen Kasten haut, brechen emotional alle Dämme. Wahnsinn welch Anspannung von allen Zuschauern in diesem Moment abfällt. Beim Schlusspfiff überall Freude, wohin man sieht. Als Lahm den Pokal in den Nachthimmel von Rio hebt, kann man es noch immer nicht fassen, dass es nun endlich geklappt hat. Der Auftakt zu einer unglaublichen Feiernacht beginnt und das erste Lied was aus den Boxen kommt ist Un’estate Italiana von Gianna Nannini, das Lied der WM 90 - so schließt sich der Kreis von Lothar Matthäus zu Philipp Lahm. Wir feiern bis in die Morgenstunden bei Freibier und Musik im Nepermuk, an die Arbeit am nächsten Tag denkt keiner, warum auch - Weltmeister wird man nicht alle Tage!
WM 2014 im Nepermuk - Wahnsinn! |
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